Gebt Plastik wieder einen Wert!
Fakt
14.May.2018
updated 07.Apr.2019
Leider nehmen viele Menschen es nicht sehr genau mit dem recyclebaren Plastik-Müll und werfen Kunststoffe einfach in den Restmüll oder nicht wiederverwertbaren Müll in den Recycle-Müll. Jedoch ist es auch ein Problem der Aufklärung der Bevölkerung und ein Problem der profitorientierten Müllverwertung. Ein Joghurt-Becher sollte beispielsweise von seinem Alu-Deckel getrennt in den Recycle-Müll entsorgt werden, da eine maschinelle Trennung nicht möglich ist. Eine manuelle Trennung solcher kombinierten Müllteile ist aber nicht wirtschaftlich genug und so wird dieses Müll-Stück dem Restmüll zugeführt obwohl alle Komponenten wiederverwertbar wären.
Ein noch viel größeres Problem ist es, dass Müll eine Art Wirtschaftsgut ist und gerne ins Ausland "verkauft" wird. Unmengen an wiederverwertbarem Müll wird ins Ausland geschafft, obwohl es, zumindest in Deutschland, gar nicht erlaubt ist, mit Müll zu handeln. Jedoch haben sich die Unternehmen hierfür etwas Cleveres einfallen lassen: Der Müll wird umdeklariert und als Entwicklungsgut oder als Wertstoff ins Ausland verschifft. Dort kann er dann mit deutlich geringeren Umweltauflagen billig und Umweltbelastend wiederverwertet werden - oder wie es meistens der Fall ist, verbrannt, einfach nur deponiert oder sogar an der Küste abgelegt werden, wo dann die Gezeiten für den "Abtransport" sorgen.
Trotz des theoretisch hohen Umweltbewusstsein der Deutschen, wird in Deutschland gerade mal rund 12 % des wiederverwertbaren Mülls auch tatsächlich wieder einem Nutzen zugeführt. Im weltweiten Vergleich sind wir damit aber immer noch weit über dem Durchschnitt. Weltweit werden gerade mal 2 % wiederverwertet. Der Rest verschmutzt die Umwelt und landet früher oder später im Meer. Inzwischen gibt es einige Organisationen, die versuchen den Müll aus der Umwelt und von den Meeren zu fischen. Eine davon ist zum Beispiel 4Ocean. Dies ist jedoch mit enormen Aufwand und Kosten verbunden. Glücklicherweise gibt es inzwischen sogar Firmen die sich den großen Müllteppichen auf den Meeren annehmen und das Plastik dort im großen Stil einsammeln und wiederverwerten wollen. Diese Aufgabe scheint jedoch wie der berüchtigte Kampf gegen Windmühlen zu sein, da jährlich zwischen 4 und 13 Millionen Tonnen neuen Plastik-Mülls ins Meer gespült werden. Dabei verursacht der Plastik-Müll nicht nur Umweltschäden und sorgt für Millionen Tiere die auf Grund von Plastik-Müll den Tod finden, sondern er verursacht und wirtschaftliche Schäden. Die europäische Fischfangflotte verzeichnet rund 60 Millionen Euro Verlust auf Grund von Plastikmüll. In ärmeren Ländern wird der Plastik-Müll nicht einmal richtig entsorgt. Dadurch verschmutzt und verpestet er nicht nur die Umwelt und belastet beispielsweise das Trinkwasser, sondern er bietet auch hervorragende Umweltbedingungen für Krankheitskeime, die sich dann in der Bevölkerung ausbreiten. Dabei ist es gar nicht mal so schwer etwas dagegen zu tun. Zwei findige Unternehmer haben die so genannte Plastic Bank gegründet. Dort werden die Einheimischen für das Abliefern des Plastik-Mülls bezahlt. Mit dem Geld können sie sich und ihre Familien wiederum ernähren und sogar eine Schule besuchen. Ganz nebenbei wird der Müll reduziert und der Wiederverwertung zugeführt und die Krankheitsherde werden eingedämmt. Quasi eine Win-Win-Win-Situation. Diese beiden Unternehmer haben gesagt: "wir müssen dem Plastik wieder einen Wert geben. Nur so können wir die Verschmutzung der Meere durch Plastik-Müll Einhalt gebieten!" (Frei übersetzt). Und sie haben recht!
Ein sehr großes Problem bleibt dennoch bestehen: Das so genannte Mikroplastik. Dabei wird zwischen dem primären und dem sekundären Mikroplastik unterschieden. Primäres Mikroplastik sind kleine Plastik-Partikel (unter 5 mm), welche in dieser Form in die Umwelt gelassen werden. Solches findet sich beispielsweise in vielen Zahnpasten als Abrasive oder in Kosmetikartikeln wie Peelings wieder. Das sekundäre Mikroplastik entsteht aus dem Zerfall von größeren Plastik-Teilen. Durch die Sonneneinstrahlung und Witterung zerfallen die Plastikteile in kleinere Bestandteile und werden so zu Mikroplastik.
Aber ist das Mikroplastik denn überhaupt schädlich?
Da diese Partikel nicht zersetzt werden können, landen auch diese irgendwann im Meer bzw. werden von Tieren und über die Nahrungskette letzten Endes auch von uns wieder aufgenommen. Sogar in unserem Trinkwasser sind Plastikteilchen zu finden. Dabei gibt es Studien, die zumindest bei kleinen Lebewesen bereits physiologische Folgen durch Mikroplastik nachweisen. Folgen für den Menschen sind bisher unabsehbar. Das Problem am Mikroplastik ist, dass wir es nicht einfach rausfischen können. Einmal in der Umwelt kann es da für viele hundert Jahre überdauern. Eine gute Lösung um zumindest die Neu-Entstehung von Mikroplastik zu verhindern wären biodegradierbare Kunststoffe. Also Kunststoffe, die biologisch abbaubar sind. Davon gibt es bereits einige auf dem Markt, werden jedoch viel zu selten verwendet, da sie teurer als gewöhnliche Kunststoffe sind und teilweise auch nicht immer allen Anforderungen entsprechen. Jedoch gibt es auch dort sehr viele schwarze Schafe. Die meisten biodegradierbaren Kunststoffe, die als solches deklariert werden, sind gar nicht abbaubar. Häufig handelt es sich um Kunststoffe-Polymere welche lediglich mit Maisstärke zusammengeklebt werden. Dadurch löst sich der Kunststoff zwar augenscheinlich auf, jedoch zerfällt dieser lediglich in kleine Partikel - dem Mikroplastik! Und ist somit noch schwieriger aus der Umwelt zu entfernen.
Aber was kann ich persönlich gegen den Plastik-Müll tun? Wie kann ich als einzelne Person dafür sorgen, dass weniger Kunststoff verbraucht wird oder mehr Plastik wiederverwertet wird? Was ist mit Bereichen, in denen Kunststoffe die einzige Möglichkeit sind, wie beispielsweise in der Medizin oder der Luft- und Raumfahrt?
Natürlich sind Kunststoffe nicht von Grund auf schlecht. Es gibt sehr viele Bereiche, in denen Kunststoffe unersetzlich sind und wichtige Funktionen erfüllen. Man muss nicht zwangsläufig den Verbrauch von Kunststoff senken, sehr wohl sollte man aber den Umgang mit Plastik und Plastik-Müll verändern. Hierbei ist das Bewusstsein jeden einzelnen von uns ausschlaggebend. Natürlich muss letztendlich die Industrie und die Politik etwas verändern. Die werden sich tragischerweise aber nur rühren, wenn die breite Masse eine Änderung herbeiführen möchte. Darum kann jeder einzelne etwas gegen die Verschmutzung unserer Meere und unserer Umwelt tun: seid euch bewusst, das Plastik einen Wert hat und das eine Wiederverwertung der Schlüssel ist um eine weitere Verschmutzung zu verhindern. Überlegt, ob ihr die Plastik-Tüte beim Einkaufen wirklich braucht oder ob ihr nicht eine Jutetasche von Zuhause mitnehmt. Wenn es möglich ist, kauft Artikel, die nicht in Plastik eingeschweißt sind oder (wer sich das zutraut) lasst die Plastik-Verpackung gleich im Supermarkt liegen. Natürlich in die entsprechenden Müllbeutel entsorgt. Die Händler sind verpflichtet den Verpackungsmüll anzunehmen, sofern sie ihn selbst verkaufen. Das selektive kaufen von nicht eingepackten Dingen, sowie das Zurücklassen des Mülls, signalisieren den Betreibern, dass die Menschen lieber solche Dinge kaufen. Daraufhin wird auch er, mehr davon bei seinen Großhändlern fordern. Alternativ kann man auch statt dem abgepackten Obst und Gemüse aus dem Supermarkt, den örtlichen Markt besuchen. Dort sind die meisten Waren nicht eingepackt und in der Regel ist es kein Problem einen eigenen Behälter für empfindliche Lebensmittel mitzubringen, um auf Plastiktüten gänzlich verzichten zu können. Dazu unterstützt man noch die örtlichen Bauern und Händler. Auch Mikroplastik lässt sich durchaus verhindern. Es gibt inzwischen eine breite Palette von Kosmetika und Zahnpasten, welche keine Plastik-Partikel enthalten. Häufig wird dabei auf Pflanzen-Partikel oder Kreide zurückgegriffen, welche nicht nur umweltfreundlich sind, sondern oftmals auch besser verträglich sind. Inhaber von Firmen, welche Kunststoffe für ihre Produktion nutzen, können sich auch für eine sparsame Verwendung der Kunststoffe einsetzen und eine Recycling-Kette einhalten, wie es auch bereits viele (leider häufig nur kleinere) Unternehmen eingeführt haben.
Seid euch einfach bewusst, was ihr kauft, und wie viel Müll es produziert. Versucht einfach mal auf die ein oder andere Kunststoff-Verpackung oder Plastik-Tüte zu verzichten und schaut mal auf die Inhaltsstoffe eurer Kosmetika. Würde jeder Deutsche nur einmal im Jahr auf eine Plastik-Tüte mehr verzichten, hätten wir im Jahr bereits 80 Millionen Plastik-Tüten weniger! Ganz zu schweigen von einem weltweiten Verzicht!
Wenn ihr noch mehr gute Tipps habt, wo man Kunststoffe und Mikroplastik einsparen kann, schreibt sie doch mal in die Kommentare. Ich würde mich über zusätzliche Ideen und Denkanstöße freuen!
Update:
- Schwarzes Plastik ist generell nicht recyclebar, da die Sensoren in Recycling-Fabriken nicht in der Lage sind schwarzes Plastik als solches zu erkennen. Deshalb werden diese Teile aussortiert und gemeinsam mit dem Restmüll verbrannt. Versucht also schwarze Plastik-Verpackungen zu vermeiden.
- Große Mengen Plastikpartikel werden durch Kompost in die Umwelt gebracht, welcher als Dünger auf Agrarflächen aufgetragen wird. Kompostanlagen können lediglich 95 % der Plastikpartikel aus dem Boden filtern. Üblicherweise wird diese Zahl in Gewichtsprozent angegeben. Da Plastik aber sehr leicht ist, bedeutet dies, dass große Mengen Plastik in der Erde sind, wenn wir von Volumenprozent sprechen. Zudem sind diese 95 % in Bezug auf Plastikpartikel gemeint, die größer als 5 mm sind. Wie einige Studien andeuten, gibt es überall deutlich größere Mengen an Mikro- und Nano-Plastik. Nicht nur in der Komposterde.
- Mikro-Plastik ist überall. Es wird nicht nur vom Menschen, Abwasser und Flüssen verbreitet, sondern auch durch die Luft. Man glaubt inzwischen, dass jeder, jeden Tag und überall Mikro-Plastik ausgesetzt ist. Ganz zu schweigen von Nano-Plastik (noch kleiner als 1 µm), welches mit heutigen Methoden gar nicht messbar ist.
- Große Mengen Mikro-Plastikpartikel sind Fasern. Diese Fasern kommen von einer weiteren großen Quelle von Mikro-Plastik: Kleidung. Kleidung, welche aus synthetischen Material wie Elastan oder Polyethylen hergestellt wird ist billig und einfach von den Herstellern zu verwenden und sie bietet häufig besondere Eigenschaften. Jedoch werden die Fasern ebenso einfach in der Waschmaschine abgerieben.
- Eine weitere Quelle von primären Mikro- oder gar Nano-Plastikpartikeln ist der Verkehr. Reifen sind meist hauptsächlich aus synthetischen Materialien gefertigt und nicht aus Naturkautschuk. Der Reifenabrieb von Autoreifen und anderen Fahrzeugen kann durch Regen einfach abgewaschen werden und fließt somit direkt in aquatische Systeme und letztendlich ins Meer oder Grundwasser. Es gibt Hinweise darauf, dass in einem Liter Leitungswasser (aber auch in abgefüllten Mineralwässern) mindestens ein bis zwei Plastikpartikel zu finden sind.
- Es gibt Bestrebungen Plastikkomponenten zu labeln. Erfolgreiches Labeln und Integrieren dieses Systems in Recyclingprozesse würde es den Firmen erlauben, ihr eigenes Plastik automatisch zurück zu erhalten. Dies würde den Wert vollständig recyclebare Plastikartikel zu produzieren fördern, welche heut zu Tage nur einmal genutzt werden. Wenn Firmen ihr eigenes Material aufgereinigt zurück erhalten, wäre es einfacher und günstiger Plastik wieder zu verwenden anstatt jedes Mal neues Plastik zu produzieren.
Haupt-Quellen:
- Dossier über Plastikmüll im Meer (Bundesinitiative für Bildung und Forschung)
- Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung
- Andrady, A. L. (2011). Microplastics in the marine environment. Marine pollution bulletin
- Shah, A. A., Hasan, F., Hameed, A., & Ahmed, S. (2008). Biological degradation of plastics: a comprehensive review. Biotechnology advances
- Bild: Pixabay
- Dris, R., Gasperi, J., Rocher, V., Saad, M., Renault, N., & Tassin, B. (2015). Microplastic contamination in an urban area: a case study in Greater Paris. Environmental Chemistry.
- Ng, E. L., Lwanga, E. H., Eldridge, S. M., Johnston, P., Hu, H. W., Geissen, V., & Chen, D. (2018). An overview of microplastic and nanoplastic pollution in agroecosystems. Science of the Total Environment.
- Weithmann, N., Möller, J. N., Löder, M. G., Piehl, S., Laforsch, C., & Freitag, R. (2018). Organic fertilizer as a vehicle for the entry of microplastic into the environment. Science Advances.